Unternehmen / Köpfe
10. September 2025

«Papeterien müssen den Mut haben, mit den Preisen raufzugehen»

Thomas Köhler präsidiert seit 13 Jahren den Verband Schweizer Papeterien (VSP). Mit haptik.ch sprach er über schwindende Margen, warum Papeterien mehr wie Boutiquen werden müssen und wieso man einen Füller nicht online kaufen kann.
Thomas Köhler ist seit 13 Jahren Präsident des VSP. (Bild: zVg)

Thomas Köhler, regelmässig las und hörte man in den letzten Monaten von Papeterien, die geschlossen werden. Ist in der Schweiz ein Papeteriesterben im Gange?

Es ist sicher kein Massensterben, wie die Zeitungen schreiben. Insgesamt war die Branche in den letzten zehn Jahren sehr stabil. Da spielten auch die Corona-Kredite eine Rolle. So konnten sich gewisse Papeterien länger über Wasser halten. Ungefähr seit letztem Jahr gibt es jetzt eine Bereinigung. Kleine Geschäfte verschwinden. Sie werden von den Grossen übernommen und filialisiert oder geschlossen, weil es keine Nachfolgeregelung gibt. Pro Jahr verlieren wir etwa drei bis vier Läden, in drei Jahren also um die zehn Geschäfte. Bei den aktuell 200 Papeteriemitgliedern im VSP sind das dann doch fünf Prozent. Aber es gibt auch positive Geschichten von jungen Frauen, die das Wagnis Selbständigkeit eingehen und Papeterien übernehmen – und mit neuen Ideen und Konzepten erfolgreich sind.

Was sind die Gründe für die Ladenschliessungen?

Für kleinere Geschäfte im Detailhandel wird es generell schwieriger. Die gesetzlichen Auflagen und damit der Aufwand für die Geschäfte sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, etwa bei der Produktehaftpflicht. Hinzu kommt bei Papeterien eine schleichende Erosion der Margen.

Das müssen Sie erklären.

Die Preise im Einkauf sind gestiegen, aber die Papeterien geben nur einen Teil der Preiserhöhungen an die Kunden weiter, aus Angst, sie an Grossverteiler oder Onlinehändler zu verlieren. Das geht auf den Buckel des Fachhandels. Das habe ich in meinen eigenen Geschäften erlebt: In den letzten zwei Jahren habe ich jedes Jahr 1 bis 2 Prozent Marge verloren.

Was können Papeterien dagegen tun?

Die Papeteristinnen und Papeteristen müssen die Preispolitik im Griff haben. Und mutig genug sein, die Preise raufzudrücken, auch über die UVPs hinaus. Verkaufen Sie zum Beispiel Büroklammern mit einem UVP von 2,20 Franken ruhig für 2,30 oder 2,40. Die Standardvariante gibt’s beim Grossverteiler sowieso günstiger. Für spezielle Produkte, die es im Grossverteiler nicht gibt, kommen die Leute in die Papeterien – da müssen wir den Mut haben, dafür auch mehr zu verlangen.

Wer ist die grösste Konkurrenz für Papeterien, Grossverteiler oder Online-Shops?

Das ist eine Preisfrage. Bei Standardprodukten und kleineren Beiträgen sind es die Grossverteiler. Da hatten wir schon Kunden, die einen bei uns gekauften Kugelschreiber zurückgegeben haben, weil sie ihn in der Migros zehn Rappen billiger bekamen.

Bei teureren Produkten über 100 Franken sind es die Online-Shops. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein schöner Füller mit Goldfeder und Messinggehäuse kostet im Fachgeschäft vielleicht 150 Franken. Im Internet finden Sie dasselbe Modell für 110 oder 120 Franken. Logisch: Ein Onlinehändler braucht ja kein Ladenlokal an teurer Lage, muss seine Produkte nicht aufwändig inszenieren und hat kein ausgebildetes Fachpersonal. Aber einen Füller kann man nicht online kaufen. Das funktioniert nicht.

Wieso nicht?

Ein Füller muss zu einem passen: Stimmt das Gewicht? Liegt er von der Form her gut in der Hand? Das müssen Sie im Geschäft ausprobieren. Wenn Sie eine grosse Schrift haben, brauchen sie eine breite Feder, für eine kleine Schrift brauchen sie eine feine Feder. Die kratzt aber mehr. Dann spielt auch das Papier eine Rolle. Es kommt auf viele Details an. Dazu braucht es kompetente Beratung – die finden Sie nur im Fachgeschäft. 

Papeterien können also punkten mit persönlicher Beratung und Dienstleistungen?

Ja. Aber es muss sich unter dem Strich auch lohnen. Wenn ein Kunde mit einem Billig-Kugelschreiber von Temu in den Laden kommt und eine Ersatzmine verlangt, dauert es vielleicht zehn, fünfzehn Minuten, um die passende Mine zu finden – die dann zwei, drei Franken kostet.

Das andere Problem ist der Beratungsklau, den es bei teureren Artikeln immer mehr gibt. Kunden lassen sich zum Beispiel eine halbe Stunde lang zum richtigen Schulthek informieren, sagen Danke und kaufen ihn dann bis zu 30 Prozent günstiger beim Onlinehändler.

Wie wichtig sind eigene Onlineshops für Papeterien?

Einen eigenen Shop aufzubauen und zu betreuen ist teuer, der Versand aufwändig, die Margen klein. Die grossen Gewerbekunden sind ohnehin schon weg. Die kaufen ihr Büromaterial schon lange in anderen Kanälen ein. Zudem: Sobald wir online gehen, werden unsere Preise mit der Onlinekonkurrenz verglichen und wir müssen erklären, wieso wir teurer sind. Deshalb sind nach meiner Ansicht Onlineshops für Papeterien gar nicht so relevant. Wir müssen vielmehr ein Erlebnis vor Ort bieten. 

Was bedeutet das Punkto Sortiment?

Weg von einem reinen Büroartikelsortiment – dann haben Papeterien auch in kleinen Dörfern eine Chance. Das lokale Fachgeschäft muss zum lokalen Grundversorger werden, wo man schnell ein Spielzeug als Geschenk für den Kindergeburtstag kaufen kann, eine Glückwunschkarte, einen Zirkel fürs Schulkind oder Büroklammern, wenn die grad ausgegangen sind. Es braucht Sortimente, die nachgefragt werden. Man darf aber nicht zu fest in die Tiefe gehen. Es lohnt sich nicht, einen Locher an Lager zu führen, der nur ein oder zwei Mal im Jahr gekauft wird.

Papeterien müssen mehr wie Boutiquen werden: Wir müssen auf Emotionen setzen, immer wieder etwas Neues präsentieren. Dann kommen die Kunden auch viel lieber wieder, als wenn sie jahrelang nur den gleichen Ordner sehen. Das ist auch das Schöne an Papeterien: Wir können Computerzubehör verkaufen, Spielwaren, Bücher oder Lebensmittel als Geschenkartikel – jede Papeterie ist anders.

Wechseln wir in die Politik: Wie steht der VSP zur Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten?

Für den Fachhandel ist eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten schlicht nicht bezahlbar. Längere Öffnungszeiten bedeuten für eine lokale Papeterie mehr Personal. Gleichzeitig wollen die motivierten Mitarbeitenden abends aber nicht noch länger arbeiten und auch nicht am Sonntag. Am Schluss ergibt sich im Umsatz ein Nullsummenspiel bei steigenden Kosten.

Stichwort Personal. Wie steht es in der Papeteriebranche um den Berufsnachwuchs?

Alle Handwerks- und Dienstleistungsberufe kämpfen mit schwindenden Zahlen bei den Berufseinsteigern. Das hat mit der Demographie zu tun, aber auch damit, dass Berufsausbildungen weniger wertgeschätzt werden als ein Studium. In der Papeteriebranche schliessen jedes Jahr rund 70 Lernende ihre Ausbildung ab. Erfreulicherweise hatten wir in den letzten zwei Jahren bei der Anzahl Lernenden eine Zunahme. Digitalisierung und künstliche Intelligenz bedrohen Bürojobs, als Alternative zum KV werden deshalb andere Lehren wieder attraktiver, etwa im Verkauf. Auch in meinen Geschäften spüre ich grösseres Interesse am Berufsbild Papeterie. Das lässt mich hoffen.

Schon vor längerer Zeit wurde der Verband Schweizer Spielwarendetaillisten (VSSD) als Fachsektion in den VSP integriert. Der VSSD wird allerdings ab Januar 2026 den VSP verlassen und neu durch das Sekretariat von Handel Schweiz geführt. Was steckt dahinter und was bedeutet das für den VSP?

Der VSSD war jahrelang eine Fachsektion bei uns. Wir haben uns gegenseitig bereichert. Leider haben die Spielwarenhändler klar entschieden, den VSP als Sektion zu verlassen und sich einer anderen Organisation anzuschliessen. Ich bedauere dies sehr und wünsche allen Spielwarenhändler viel Glück und Erfolg. Für den VSP wird sich nicht viel ändern, da wir uns weiterhin aktiv in der Berufsbildung, bei nationalen Vorschriften und vielem mehr einbringen werden.

Sie sind seit 13 Jahren Präsident des VSP, möchten das Amt aber abgeben…

Eigentlich wollte ich es schon vor ein paar Jahren abgeben. Aber Corona machte mir einen Strich durch die Rechnung. Mein Ziel ist es, das Amt nächstes Jahr weiterzugeben. Aber bis jetzt haben wir leider noch keine Nachfolge gefunden, obwohl wir aktiv suchen.

Welchen Rat haben Sie für Ihre Nachfolgerin oder Ihren Nachfolger?

Auf die bewährten Kräfte wie Sekretariat und Kommissionen zu setzen. Als Präsident bin ich mit meiner Freude am Beruf und mit meinen GeschäftsleitungskollegInnen immer gut gefahren. Auch soll man Freude an Menschen und den Verband weiter entwickeln wollen. Somit eignen sich nach mir sehr viele Geschäftsinhaberinnen oder Geschäftsführer von Papeterien für diese Aufgabe, die viel Erfüllung und Freude bringt.

Thomas Köhler, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Stephan Moser
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