Inspiration
15. September 2025

«Farben sind wie Gewürze»

Der Verein Pro Colore hat sich ganz der Farbe verschrieben. Haptik.ch sprach mit Vereinspräsident Ralf Studer und Geschäftsführerin Tanja Jacobsohn über Goethes Esszimmerfarbe, rosa Gefängniszellen und was Farben mit Gewürzen gemeinsam haben.
Zwei Farbbegeisterte vom Verein Pro Colore: Präsident Ralf Studer und Geschäftsführerin Tanja Jacobsohn. (Bilder: zVg)

Tanja Jacobsohn, Ralf Studer, was bedeutet Farbe für Sie?

Jacobsohn: Farben sind für mich wie Gewürze beim Kochen – auf den ersten Blick unscheinbar, aber essenziell. Sie geben einem Gericht eine Prägung, lösen Erinnerungen und Emotionen aus. Genauso ist es auch mit Farben. Je nachdem wie man sie einsetzt, geben Sie einem Objekt oder einem Raum Tiefe und Charakter. Farben sind nicht einfach Dekorationsmittel, sondern eine eigene Sprache. Farben erzählen Geschichten, lösen Gefühle aus und berühren uns auf eine Art und Weise, die man vielleicht auf den ersten Moment gar nicht erklären kann. Farben sind die Essenz: Ein Gericht ohne Gewürze wäre genauso eintönig und fad und lieblos wie eine Welt ohne Farben.

Studer: Farbe ist ein Naturphänomen, das Naturgesetzen gehorcht. Gleichzeitig macht Farbe etwas mit uns, berührt uns – etwa, wenn wir einen Regenbogen sehen. Zudem ist Farbe neben Form und Struktur wahrscheinlich das grösste Gestaltungsmittel, das wir haben. Farbe leistet einen extrem grossen Beitrag bei der Gestaltung. Und Farbe ist ein persönliches Ausdrucksmittel – die Farbwahl unserer Kleidung oder die Farbgestaltung der Wände unserer Wohnung transportiert immer eine Botschaft.

Was macht denn Farbe mit uns Menschen?

Studer: Sie bietet uns zum Beispiel Orientierung und lenkt uns. Nicht nur im Strassenverkehr an der Ampel. Auch in unserer Umwelt. Die Menschen haben über viele Generationen gelernt: Rot signalisiert etwas Essreifes, Grün etwas Unreifes. Und Farbe beeinflusst uns, sie kreiert eine Atmosphäre und kann uns in eine bestimmte Stimmung versetzen.

Können Sie ein Beispiel geben?

Studer: Es gibt spannende Untersuchungen zur Wirkung von Rosa. Diese Farbe wurde gezielt in Gefängnissen eingesetzt, um randalierende oder renitente Insassen zu beruhigen. In einem rosa Raum sinkt der Puls messbar, in einem roten Raum steigt er bei den meisten Menschen stark an. Auch ein zartes Lindengrün oder ein zartes Hellblau können beruhigend sein. Wenn man einen Wellnessbereich gestaltet, ist also ein zartes Grün die bessere Farbwahl als ein intensives Orange-Rot. Umgekehrt hat Goethe die Wände in seinem Esszimmer gelb-orange streichen lassen, um anregende Gespräche zu fördern.

Jacobsohn: Unsere Reaktion auf Farben ist dabei sehr individuell. Welche Stimmung eine Farbe bei uns auslöst, hängt auch davon ab, welche Erinnerungen ich mit einer Farbe verbinde.

Studer: Und es gibt kulturelle Unterschiede. In Asien finden die Menschen zum Teil Farbkombinationen toll, die sich in unseren Augen beissen.

Sie sind beide Farbdesigner. Was muss ich mir darunter konkret vorstellen?

Studer: Bei der Gestaltung mit Farben geht es oft ums Bauchgefühl, davon möchten wir beim Farbdesign etwas wegkommen. Es geht darum, mit dem Wissen über das Zusammenspiel und die Wirkung von Farben Farbkonzepte für eine bestimmte Anwendung zu entwickeln, etwa für ein Produkt oder einen Raum.

Jacobsohn: Man lernt im Farbedesign, Farben gezielt einzusetzen, um eine bestimmte Wirkung zu erreichen.

Wahrscheinlich blicken Sie ganz anders auf unsere bunte Welt als Menschen, die sich nicht intensiv mit Farben auseinandersetzen?

Jacobsohn: Als ich meine Farbdesign-Ausbildung begann, hat sich mein Farbwahrnehmungsraum vertausendfacht. Man sieht nicht mehr nur Grün oder Rot, sondern unterscheidet zwischen Salbei- und Eukalyptusgrün, erkennt ein gesättigtes und ein ungesättigtes Grün und nimmt wahr, wie Farben miteinander spielen.

Studer: Die Welt wird nicht zwingend schöner, je mehr man über Farben weiss. Man sieht dann auch, wie belanglos zum Teil mit Farben umgegangen wird, oder wie plakativ sie eingesetzt werden.

Als Farbbegeisterte engagieren Sie sich im Verein Pro Colore. Warum brauchen Farbe einen eigenen Verein?

Studer: Farbe spielt in vielen Disziplinen eine Rolle, in der Architektur, im Design, in der Mode, in der Kunst. Zu all diesen Themen gibt es Vereinigungen. Bei Pro Colore steht die Farbe im Mittelpunkt, mit all ihren Facetten und interdisziplinär. Wir sind eine bunte Truppe von Farbschaffenden: Bei uns trifft zum Beispiel ein Lichtexperte auf eine Künstlerin, eine Designerin auf einen Raumgestalter. Damit ergeben sich unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema Farbe. Das ist spannend. Man kann sich untereinander austauschen und vernetzen.

Wer kann Mitglied werden?

Studer: Alle Menschen, die neugierig auf das Thema Farben in den verschiedensten Disziplinen sind und sich mit Gleichgesinnten austauschen wollen.

Jacobsohn: Auch für Fachpersonen aus Papeterien kann eine Mitgliedschaft bereichernd sein. Auch in Papeterien geht es ja darum, Menschen über den Einsatz und die Wirkung von Farben zu beraten. Da öffnet eine Teilnahme an unseren Aktivitäten  sicher auch neue Blickwinkel aufs Phänomen Farbe.

Welche Aktivitäten bietet Ihr Verein konkret an?

Studer: Pro Jahr veranstalten wir fünf bis sechs Treffs, bei denen jeweils ein bestimmtes Thema im Fokus steht. Wir haben uns zum Beispiel von einer Fachperson die Gestaltungsidee der Signaletik in der Zürcher Hochschule der Künste erklären lassen. Oder wir veranstalteten einen Handlettering-Workshop mit der Schriften- & Reklamegestalterin Leila Luisi und unserem Partner Pentel. Oder wir besuchen Architekten in ihren Ateliers und gehen auf Baustellen, um vor Ort zu erleben und zu diskutieren, ob ein Farbkonzept funktioniert oder nicht. Regelmässig besuchen wir Ausstellungen, die mit Farbe zu tun haben, etwa «Farbe, Stein, Papier» in Stein am Rhein (mehr dazu hier). Und wir organisieren Reisen. Anfangs September haben wir uns zum Beispiel die Farben von Amsterdam angeschaut.

Können Interessierte auch mal unverbindlich bei Pro Colore reinschnuppern?

Jacobsohn: Wir sind immer offen für Interessierte. Auf unserer Homepage sind die nächsten Veranstaltungen aufgeführt, bei Interesse kann man sich gern bei uns melden und teilnehmen.

Studer: In der Farbe tut sich eine fast unerschöpfliche Welt auf. Wir freuen uns immer über neue Leute, die neue Sichtweisen und neue Themen einbringen.

www.procolore.ch

Über den Verein

Der Verein Pro Colore wurde vor 33 Jahren gegründet und hat heute rund 130 Mitglieder. Neben Einzelpersonen sind auch verschiedene Firmen aus dem Farbbereich Mitglieder. Der Verein arbeitet ausserdem mit Partnern wie Pentel, Faber-Castell und Lascaux Colour & Restauro zusammen. Eine Partnerschaft besteht auch mit der Schweizerischen Textilfachschule (STF) sowie dem Haus der Farbe. An beiden Einrichtungen kann man sich im Bereich Farbdesign aus- und weiterbilden.

Eine Einzelmitgliedschaft kostet 90 Franken pro Jahr.

 

Stephan Moser
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